Beutelsbacher Konsens
Als Richtschnur für den Politikunterricht hat sich der sogenannte „Beutelsbacher Konsens“ etabliert. Dabei handelt es sich um eine schriftliche Zusammenfassung der Ergebnisse einer Tagung von Fachdidaktikern im Herbst 1976 in Beutelsbach, einem kleinen Ort in Baden-Württemberg. Im „Beutelsbacher Konsens“ wurden drei Prinzipien festgelegt, die seither für den Politikunterricht an den Schulen sowie in der politischen Bildung als konstitutiv gelten:
- [Überwältigungsverbot] Es ist nicht erlaubt, den Schüler – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der ‚Gewinnung eines selbständigen Urteils‘ zu hindern. Hier genau verläuft nämlich die Grenze zwischen Politischer Bildung und Indoktrination. Indoktrination aber ist unvereinbar mit der Rolle des Lehrers in einer demokratischen Gesellschaft und der – rundum akzeptierten – Zielvorstellung von der Mündigkeit des Schülers.
- [Kontroversitätsgebot] Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Diese Forderung ist mit der vorgenannten aufs engste verknüpft, denn wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination beschritten. […]
- [Schülerorientierung] Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen.“
Quelle: Hans-Georg Wehling: Konsens à la Beutelsbach? Nachlese zu einem Expertengespräch, in: Siegfried Schiele / Herbert Schneider (Hrsg.): Das Konsensproblem in der politischen Bildung, Stuttgart 1977, S. 173-184, S. 179f.
Von den drei Prinzipien des „Beutelsbacher Konsenses“ sind die beiden ersten – das Indoktrinationsverbot (Überwältigungsverbot) und das Kontroversitätsgebot – die bedeutsamsten. Lehrer dürfen Schülern nicht ihre Meinung aufzwingen. Schüler sollen sich mithilfe des Unterrichtes ein eigenes politisches Urteil bilden können. Der Lehrer muss ein Thema in der Kontroversität darstellen, die es auch in Öffentlichkeit, Politik und Wissenschaft besitzt. Die verschiedenen Positionen müssen dargelegt werden, nicht nur eine Sichtweise.
Das Überwältigungsverbot und Kontroversitätsgebot aus dem Beutelsbacher Konsens finden sich sinngemäß auch im Berliner Schulgesetz wieder. In § 67 (3) SchulG Berlin heißt es: „Die Lehrkräfte müssen unbeschadet ihres Rechts, im Unterricht die eigene Meinung zu äußern, dafür sorgen, dass auch andere Auffassungen, die für den Unterrichtsgegenstand im Rahmen des Bildungsauftrags der Schule erheblich sind, zur Geltung kommen. Jede einseitige Beeinflussung der Schülerinnen und Schüler ist unzulässig.“
Die demokratisch vorbildlichen Grundsätze des „Beutelsbacher Konsenses“ müssen in allen Fächern angewandt werden. Bei Bedarf sollten Lehrer nachgeschult werden.